SBB sehen ihren Ruf beschädigt

Die Zahlung von 690 Millionen Franken in die Pensionskasse sei rechtens, sagt der Bund.

Gemäss Geschäftsbericht 2016 hat die SBB AG der rechtlich und finanziell eigenständigen Pensionskasse der SBB 690 Millionen Franken überwiesen. Die gestrige Berichterstattung der Basler Zeitung über diese Millionen-Zahlung und die damit verbundene Frage nach der rechtlichen Grundlage haben bei den SBB sowie beim Bund massive Reaktionen ausgelöst. Alles sei rechtens abgelaufen, auch habe man seinerzeit über die Notwendigkeit dieser Zahlung informiert, sagten gestern die SBB und auch die Finanzverwaltung des Bundes.

Der Zuger Kantonsrat Willi Vollenweider ist bei der Vorbereitung eines Vorstosses auf diese Zahlung gestossen. Sie stösst ihm sauer auf. Bei den 690 Millionen handle es sich um Geld der Steuerzahler, welche die SBB massiv subventionieren. Er fordert, dass die 690 Millionen an die Bundeskasse abgeführt werden.

Transparent ausgewiesen

Dem sei nicht so, meint dazu nun die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV). Philipp Rohr sagt, der Verwaltungsrat der SBB sei befugt gewesen, diese Summe an die Vorsorgeeinrichtung der SBB zu überweisen. Die BaZ-Frage nach der dafür nötigen Rechtsgrundlage beantwortet Rohr so: «Die SBB ist eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft im Besitz des Bundes. Im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten steht es ihr frei, alle Rechtsgeschäfte zu tätigen, die mit dem Unternehmenszweck direkt oder indirekt im Zusammenhang stehen.» Dies gelte auch für den Beschluss zur Einlage der erwähnten 690 Millionen in die Pensionskasse der SBB. Die Finanzverwaltung beruft sich somit auf den allgemeinen Zweckartikel am Anfang des SBB-Gesetzes, der sich in Artikel drei findet.

In ihrer separaten Stellungnahme schreiben die SBB zum 690-Millionen-Franken-Transfer: «Die Stabilisierung der Pensionskasse und sämtliche Vorgänge wurden transparent im Geschäftsbericht ausgewiesen und kommuniziert. Hätte der SBB-Verwaltungsrat seine unternehmerische Freiheit und Pflichten nicht wahrgenommen und 2015 ein Darlehen in Höhe von 690 Millionen Franken in die Pensionskasse der SBB eingeschossen, wären langjährige Mitarbeitende von massiven Rentenkürzungen von rund elf Prozent betroffen gewesen, da zeitgleich der sogenannte technische Zinssatz reduziert und auch die Senkung des Umwandlungssatzes vorgenommen wurde.» Diese Arbeitgebereinlage der SBB sei ohne Belastung des Bundes erfolgt, und die Rückzahlung erfolge aus den laufenden Gewinnen von SBB- Immobilien.

Die 690 Millionen sind eine «Stabilisierungsmassnahme»

Doch wie steht es mit der gesetzlichen Regelung, die der Bund 2011 erlassen hat, nachdem National- und Ständerat über 1,1 Milliarden Franken bewilligten, um die SBB-Pensionskasse gänzlich auszufinanzieren? In dieser Regelung steht nämlich: «Die SBB und die Pensionskasse der SBB verzichten auf allfällige Nachforderungen gegenüber dem Bund als Träger und Leistungsgarant der ehemaligen Pensions- und Hilfskasse der SBB. Die Pensionskasse der SBB verzichtet auf solche Forderungen auch gegenüber den SBB.» Diese Regelung entfaltet gemäss den Stellungnahmen von Finanzverwaltung und SBB keine Wirkung auf die 2016 erfolgte Zahlung von 690 Millionen.

«Zwischen den Vorgängen der Ausfinanzierung der Pensionskasse im Jahr 2011 und den im Jahr 2015 vorgenommenen Stabilisierungsmassnahmen besteht weder inhaltlich noch rechtlich ein Zusammenhang», schreibt SBB-Mediensprecher Christian Ginsig. Und Philipp Rohr von der Finanzverwaltung schreibt, zwischen der 2011 erfolgten Sanierung der SBB-Pensionskasse und den 2016 eingeleiteten Stabilisierungsmassnahmen müsse unterschieden werden. «Zwischen diesen beiden Vorgänge besteht weder rechtlich noch inhaltlich ein Zusammenhang.» Im Zuge der 1999 erfolgten Ausgliederung der SBB in eine eigenständige Aktiengesellschaft sei im gleichen Jahr die Gründung der SBB-PK erfolgt.

Diese habe unter einer ungünstigen Versichertenstruktur und einem ungenügenden Deckungsgrad gelitten. «Seitens der SBB und der SBB-PK wurde deshalb damals gegenüber dem Bund als Träger und Leistungsgarant der ehemaligen Pensions- und Hilfskasse (PHK) eine ungenügende Ausfinanzierung geltend gemacht. Im Zuge dieser Diskussionen bewilligte das Parlament 2011 einen Sanierungsbeitrag des Bundes an die Pensionskasse der SBB in Höhe von 1,148 Milliarden.» Demgegenüber handelt es sich bei der Zahlung von 690 Millionen gemäss SBB und Finanzverwaltung um eine «Stabilisierungsmassnahme».

Hohe Leistungseinbussen

Im Dezember 2014 habe der Stiftungsrat der Pensionskasse SBB nämlich Massnahmen zur langfristigen Stabilisierung des Vorsorgewerks beschlossen, schreibt Rohr im Namen der Finanzverwaltung. Und weiter: «Nötig wurden diese Massnahmen mit Blick auf die weiterhin steigende Lebenserwartung der Versicherten, die eine Überarbeitung der sogenannten Generationentafeln unausweichlich machte.

Bei einer Umsetzung dieser Reformen ohne entsprechende Abfederungsmassnahmen hätte dies für die unmittelbar vor der Pensionierung stehenden Versicherten Leistungseinbussen von 10,7 Prozent zur Folge gehabt.»

Die Sozialpartner hätten sich deshalb auf Abfederungsmassnahmen geeinigt, die neben den Beiträgen der Versicherten auch vom Arbeitgeber SBB mit 690 Millionen mitgetragen wurden. «Diese Zahlung erfolgte im Rahmen der üblich Sozialpartnerschaft; seitens der SBB-PK wurden dabei keinerlei juristische Forderungen gegenüber dem Bund oder SBB erhoben,» so Rohr.

SBB-Sprecher Christan Ginsig schreibt zu diesem Punkt: «SBB-Mitarbeitende tragen einen substanziellen Beitrag zur Stabilisierung der Pensionskasse, denn auf generelle Lohnerhöhungen wird seit 2017 bis 2020 verzichtet, zudem verzichten Mitarbeitende auf einen Ferientag pro Jahr. So werden Renteneinbussen vor allem für jene Versicherten abgefedert, die in den nächsten Jahren in Pension gehen.»

Fragezeichen im Parlament

Aus Sicht des Bundes als Eigentümer der SBB und aus Sicht der SBB AG ist mit der 690-Millionen-Zahlung von 2016 in die SBB-PK also alles in Butter und rechtlich wasserdicht.

Nicht auf Anhieb überzeugt von der 690-Millionen-Franken-Zahlung in die SBB-Pensionskasse zeigte sich gestern der Präsident der ständerätlichen Finanzkommission, der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann (SVP). Er sagte auf Anfrage, sollten sich in diesem Fall Ungereimtheiten erhärten, «werden sich Finanzkommission oder Geschäftsprüfungskommission des Parlaments wohl mit dieser Sache näher beschäftigen müssen.»

Weitere «Ausfinanzierung»?

Der Zuger Kantonsrat Willi Vollenweider bleibt derweil bei seiner Überzeugung. Er widerspricht auf Anfrage der Aussage von Finanzdepartement und SBB, zwischen den Vorgängen der Ausfinanzierung der Pensionskasse von 2011 durch das Parlament und den Stabilisierungsmassnahmen von 2016 bestehe «weder inhaltlich noch rechtlich ein Zusammenhang».

Vollenweider meint: «Selbstverständlich war die Zahlung der 690 Millionen eine weitere «Ausfinanzierung». Da der PK-Stiftungsrat den Versicherten 2015 ohne Not, aus eigenem Ermessen höhere, durch das Vorsorgekapital nicht mehr gedeckte zusätzliche Leistungen im Reglement zusagte, wäre ohne die Zahlung der 690 Millionen durch die SBB AG der Deckungsgrad der PK erneut unter 100 Prozent gefallen.» Nur mit den weiteren Millionen habe dies verhindert werden können. Faktisch habe es sich somit bei den 690 Millionen um nichts anderes als einen weiteren Sanierungsbeitrag gehandelt.

Quelle: Basler Zeitung
23.02.2018

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