Mehr Zwang beim Zwangssparen

Die Politik erhöht den Druck beim obligatorischen Sparen in der 2. Säule gleich zweifach. Erstens ­sollen wir mehr einzahlen. Zweitens sollen wir das Geld nicht mehr als Kapital, sondern nur noch als Rente beziehen.

Eine Reform jagt die andere. Soeben hat das Parlament die grosse Reform der Altersvorsorge gezimmert, die am 24. September an die Urne kommt. Noch vorher, im Juni, beginnt im Ständerat die Debatte über die Reform der ­Ergänzungsleistungen (EL).

Am Dienstag hat die Sozialkommission dazu erste Vorentscheide gefällt. Die zwei Projekte überlagern sich in einem politisch sensiblen Punkt: Beide ­sehen beim ­obligatorischen Teil der 2. Säule (Pensionskassen) wichtige Veränderungen vor, die sich gegenseitig verstärken.

Der Verdacht

Zuerst einmal wird mit der Renten­reform das staatlich erzwungene Alterssparen markant ausgebaut. Hier geht es um das Doppelproblem der tiefen Renditen und der gestiegenen Lebenserwartung. Als Reaktion darauf will das ­Parlament mit der Reform den Mindestumwandlungssatz der Pensionskassen senken, womit es künftig pro angespartem Franken weniger Rente gibt. Das ­effektive Rentenniveau soll aber nicht sinken.

Deshalb müssen Arbeitnehmer zusammen mit ihren Arbeit­gebern in Zukunft während des gesamten Berufslebens mehr Geld in die Pensionskasse ein­zahlen. So erhöht sich zum Beispiel das Zwangssparen bis zur Pensionierung für einen Angestellten mit einem Lohnniveau von 4500 Franken im Monat um insgesamt 30’000 Franken.

Unmittelbar betroffen sind zwar nur etwa 15 Prozent ­aller Angestellten, da die Mehrheit in Pensions­kassen versichert ist, deren Leistungen über das obligatorische Alterssparen hinausgehen.

Doch zusammen mit der EL-Reform sind plötzlich alle Angestellten betroffen. Hier setzt der Bundesrat den Hebel ebenfalls bei der 2. Säule an. Er will die Möglichkeiten einschränken, das angesparte Geld bei der Pensionierung als Kapital zu beziehen, statt es in monatliche Renten ­umwandeln zu lassen.

Konkret will der Bundesrat verbieten, im Rahmen der obligatorischen ­Vorsorge angesparte Gelder als ­Kapital zu beziehen. Stattdessen müsste man sich diesen Teil des Kapitals neu zwingend in eine Rente umwandeln lassen. Dieser Vorschlag war zwar bisher umstritten, die Sozialkommission des Ständerats hiess ihn gestern aber einstimmig gut, wie aus ihrer Mitteilung hervorgeht.

Die Einschränkungen beim Kapitalbezug sollen dazu bei­tragen, dass künftig weniger Rentner auf EL angewiesen sind. Dahinter steht der Verdacht, dass die Rentner das bezogene Kapital weniger gut verwalten und an­legen werden als ihre Pensionskasse. Oder dass sie es im schlimmsten Fall verprassen, im Wissen, dass sie danach EL beantragen können.

«Schnell ausgegeben»

Der Bundesrat formuliert es in der Botschaft freundlicher: «Das Altersguthaben kann schnell ausgegeben werden. Ist es einmal aufgebraucht, steht die betroffene Person unter Umständen mittellos da.» Eine Rente hingegen garantiere ein regelmässiges Einkommen während der gesamten Dauer des Rentenalters, auch wenn man sehr alt werde.

Die Beschränkung des Kapitalbezugs wirkt sich zusammen mit dem Ausbau des obligatorischen Sparens in der Rentenreform flächen­deckend aus. Bei allen Arbeit­nehmern – auch bei jenen in gross­zügigen Pensionskassen – entfällt künftig ein grösserer Teil des Alterskapitals auf das ­Obligatorium. Und dieses soll von der Kapitalauszahlung neu ausgeschlossen werden.

Geld für Selbstständige?

Der Bundesrat will den Schutz der obligatorischen Vorsorge mit der EL-Reform noch anderweitig ausbauen. Wer sich selbstständig macht, kann heute als Starthilfe einen Teil ­des Pensionskassen­kapitals beziehen. Auch dies wäre neu nur noch bei dem Teil erlaubt, der über das Obligatorium hinausgeht. Hier ist aber mit Widerstand zu rechnen.

Die Mehrheit der Kommission will den ­Kapitalbezug in diesen Fällen nicht verbieten, sondern nur einschränken.

Quelle: Berner Zeitung
29.03.2017