Neue Anlagerichtlinien für die zweite Säule

Der Bundesrat zieht Lehren aus der Finanzkrise und hat die Anlagebestimmungen für Pensionskassen angepasst. Damit wagt der Gesetzgeber den Spagat zwischen mehr Eigenverantwortung und einer Regulierung mit detaillierten Einzelvorschriften.

Die Kernelemente der Revision der Anlagevorschriften in der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV2) sind folgende: die Unterscheidung zwischen traditionellen und alternativen Anlagen bei Forderungen, die Erweiterung der Definition von alternativen Anlagen, die Einschränkung der Hebelwirkung sowie die Regelung der Wertschriftenleihe. Die Umsetzung der letzten drei Punkte dürfte unproblematisch sein. Einzig die Einschränkung des Einsatzes von Fremdkapital kann für Pensionskassen zur Herausforderung werden. Die neu verordnete Unterscheidung zwischen traditioneller Forderung und alternativer Anlage bei Obligationenanlagen wird jedoch in der Anlagepraxis je nach Auslegung schwierig.

Anlagerisiko nicht beachtet

Im Vorfeld der Finanzkrise entstanden undurchsichtige Finanzkonstruktionen, die dem Anleger als «normale» Obligationen verkauft wurden, sich jedoch in der Finanzkrise als toxisch herausstellten. Daher gelten nun sämtliche Forderungen, die in der Verordnung nicht explizit als traditionelle Anlage bezeichnet werden, neu als alternative Anlagen. Diese Zuordnung soll sicherstellen, dass die Anlageverantwortlichen in den Vorsorgeeinrichtungen das Risiko von komplexen Obligationen nicht unterschätzen. Allerdings bildet das gewählte Zuteilungsschema die mit den Obligationen verbundenen Risiken nur ungenügend ab. Für die Klassifizierung als alternative Anlage ist einzig die Art der Strukturierung einer Anleihe relevant und nicht das mit der Anleihe verbundene Anlagerisiko. So gelten hochverzinsliche Anleihen von Schuldnern mit zweifelhafter Bonität oder auch Wandelanleihen, die aufgrund eines niedrigen Wandlungspreises hohe Risiken aufweisen, nach wie vor als traditionelle Anlagen. Besicherte Anleihen gegenüber einer Zweckgesellschaft gelten indessen, auch bei höchster Bonität, neu als alternative Anlagen. Dies kann in der Praxis zur paradoxen Situation führen, dass einzelne Obligationen mit höchstem Rating als alternative Anlagen aufgeführt werden müssen, aber bei den traditionellen Forderungen An-lagen von sehr zweifelhafter Qualität Unterschlupf finden. Die neue Regelung bringt daher keine klarere Gliederung der Anlagen, sondern führt zu einer Verwischung der Grenzen.

Eine Sonderregelung gilt bei Obligationenanlagen, die auf einen gebräuchlichen und breit diversifizierten Index ausgerichtet sind. Ein indexiertes Vermögensverwaltungsmandat, das nur Obligationen eines üblichen Vergleichsindexes enthält, ist gemäss Verordnung stets eine traditionelle Anlage. Die Verordnung lässt offen, wann ein Portfolio indexorientiert ist und wann nicht. Bei einem aktiven Vermögensverwaltungsmandat muss indessen bei jeder Obligation einzeln analysiert werden, ob es sich um eine alternative Anlage handelt oder nicht. – Nicht ganz unproblematisch dürfte dabei sein, dass eine Pensionskasse je nach Konstellation gewisse Anleihen gleichzeitig als traditionelle Forderung und auch als alternative Anlage ausweisen muss. Dies kann bei den an der Schweizer Börse gehandelten verbrieften Kreditkartenforderungen der Fall sein. Innerhalb von nicht indexorientierten Mandaten handelt es sich bei strenger Auslegung um alternative Anlagen, während bei einer indexierten Umsetzung die gleichen Bonds zu den traditionellen Forderungen gehören.

Umsetzung mit Augenmass

Die Sicherheit der Erfüllung des Vorsorgezweckes muss bei der Anlage von Pensionskassengeldern oberste Priorität geniessen. Eine Regulierung mit Detailvorschriften wird allerdings der Komplexität der Vermögensanlagen nicht zwingend gerecht. Limiten und Einzelvorschriften können höchstens eine Hilfestellung für die Entscheidungsorgane bieten.

Die neuen Bestimmungen werden im Tagesgeschäft sowohl für Pensionskassen als auch für Vermögensverwalter und Depotstellen einen Mehraufwand nach sich ziehen. Bei der Umsetzung dieser Vorschriften sollten die Pensionskassen die Intention des Gesetzgebers berücksichtigen. Das heisst, es gilt, traditionelle Forderungen von offensichtlich andersartig strukturierten Forderungen, die gegenüber traditionellen Anleihen Zusatzrisiken aufweisen, zu unterscheiden. Letztere sollen transparent ausgewiesen und überwacht werden. Allerdings wäre es nicht im Interesse der Versicherten, wichtige Segmente des Obligationenmarkts a priori auszuschliessen. Trotz detaillierten Vorschriften bleibt ein gewisser Handlungsspielraum bei der Umsetzung der neuen Verordnungsbestimmungen. Die Führungs- und Aufsichtsorgane sollten diesen Spielraum nutzen, um die Erfüllung des Vorsorgezwecks ihrer Pensionskasse kosteneffizient zu gewährleisten.

Quelle: NZZ
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