«Nicht Versicherer, sondern Jüngere müssen für die Älteren zahlen»

Lucius Dürr, Direktor des Versicherungsverbands SVV, verteidigt die Vorsorgeleistungen der Assekuranz und fordert raschere Reformschritte, wie er im Interview mit der Finanz und Wirtschaft erläutert.

Die Assekuranzbranche regelt über Komplettlösungen für kleinere und mittelgrosse Unternehmen die berufliche Vorsorge für rund ein Drittel der schweizweit Beschäftigten. Die Kollektivlebensversicherung ist das bedeutendste Geschäftsfeld der Versicherer. Die eingenommenen Prämien machen zwei Fünftel des gesamten inländischen Marktvolumens aus.

Herr Dürr, wie gefährlich ist die Dominanz des zinsabhängigen Pensionsgeschäfts für die Schweizer Versicherungswirtschaft?

Der Schweizer Solvenztest SST der Finanzmarktaufsicht Finma gesteht den beteiligten Versicherern gute Noten zu. Die Niedrigzinslage hält das ganze Vorsorgesystem unter Druck, also Versicherer wie Pensionskassen. Deshalb erhalten die Beschäftigten weniger Zins auf ihrem Vorsorgeguthaben, als den Pensionierten zur Finanzierung der zugesicherten Renten auf ihrem Restkapital gutgeschrieben werden muss. Die Versicherer selbst sind wenig betroffen, denn wegen der starren BVG-Regeln müssen primär die jüngeren für die älteren Jahrgänge zahlen.

Arbeitnehmerorganisationen kritisieren, die Versichererbranche erziele im Vorsorgegeschäft übertrieben hohe Profite.

Die Nachfrage der KMU nach Versicherungslösungen zur beruflichen Vorsorge ihrer Mitarbeitenden ist ungebrochen. Dabei bestehen Konkurrenzangebote, etwa von unabhängigen Sammelstiftungen oder branchenbezogenen Gemeinschaftseinrichtungen. Ein voller Kapital- und Zinsschutz wird jedoch nur von den Versicherern abgegeben, was oft den Ausschlag gibt, dieses Angebot zu nutzen.

Wieso jedoch kassieren die Versicherer gemäss der BVG-Betriebsrechnung rund doppelt so hohe Todesfall- und Invaliditätsrisikoprämien, als in den zurückliegenden Jahren effektiv Kosten angefallen sind?

Den effektiven Kostenverlauf zutreffend vorauszusehen, ist unmöglich. Aber der Prämienüberschuss im Bereich der Todesfall- und Invaliditätsrisiken fliesst jedes Jahr vollständig in die BVG-Betriebsrechnung ein, für die gesetzlich der Verteilschlüssel festgelegt ist. Die Versicherer müssen mindestens 90% der Bruttoeinnahmen in Form von Zinsen, Zahlungen und Rückstellungen an die versicherten Personen zurückleiten. In den zurückliegenden Jahren haben die Versicherer gar zwischen 90 und 95% dieser Bruttoeinnahmen wieder den Zahlern zugutekommen lassen.

Wieso stellt sich Ihre Branche dennoch vehement gegen eine Verschiebung des Verteilschlüssels der sogenannten Legal Quote in Richtung 92 oder 94%?

Könnten die Versicherer nicht mehr nach gut verlaufenen Anlagejahren freiwillig mehr als die minimalen 90% der Einnahmen zurückleiten, sondern müssten zwingend jedes Jahr einen höheren Anteil leisten, verschöbe sich das gut austarierte Risiko-Rendite-Profil dieses Geschäftsfelds. Die bislang erzielbare Eigenkapitalrendite des Kollektivlebengeschäfts liegt gemäss Angaben der Anbieter bereits unter der Durchschnittsrendite aller Versicherungssparten. Bei einer strukturellen Verschlechterung der Ertragsaussichten würden sich wohl weitere Unternehmen aus dem Angebot vollgarantierter Vorsorgelösungen herausbewegen.

Wie stellt sich der Versicherungsverband zum Reformplan Altersvorsorge 2020 der Landesregierung?

Der SVV begrüsst die Stossrichtung und die Gesamtbetrachtung des Bundesrats. Dieser will jedoch AHV und berufliche Vorsorge in ein einziges riesiges Reformpaket packen. Das wird so komplex, dass ein Scheitern im Parlament und vor dem Stimmvolk zu befürchten ist. Es ist wichtig, dass wesentliche Verbesserungsschritte für die erste und die zweite Vorsorgesäule priorisiert und rasch umgesetzt werden. Dazu gehört die Senkung des minimalen Rentenumwandlungssatzes auf 6%, wobei zur Glättung des Effekts wirkungsvolle Kompensationsmassnahmen zu ergreifen sind.

Quelle: Finanz und Wirtschaft

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