Nun versiegt der lockere Geldfluss für Immobilien

Hypotheken – Mit den neuen Mindeststandards bei der Hypothekenvergabe wird es schwieriger, ein Eigenheim zu finanzieren. Selbst langjährige Kunden erleben böse Überraschungen.

Was Hypothekarschuldnern blühen kann, er­lebte kürzlich Moni­ka M. (Name geändert): Mit dem Kauf einer Eigentumswohnung im Raum Bern hat sie vor ­einigen Jahren einen Lebenstraum verwirklicht. Weil sie die Wohnung derzeit aber nicht selbst bewohnt, sondern an Dritte vermietet, hat die Bank das Objekt neu zum Ertragswert eingeschätzt, der deutlich unter dem ursprünglichen Kaufpreis liegt. Damit ist die Wohnung – aus Sicht der Bank – massiv überschuldet. Damit die Schuldenfalle nicht zuschnappt, soll Monika M. nun innerhalb kurzer Frist 160 000 Franken an Hypothekarschulden zurückzahlen.

Hart auf dem Boden der Realität landen auch viele Schuldner im Alter zwischen 55 und 60 Jahren. Die Banken ziehen schon weit vor der Pensionierung die späteren Einkommenseinbussen ins Kalkül. Weil mit dem Übergang in den Ruhestand die verfügbaren Einkünfte aus AHV und Pensionskasse (PK) oft 25 bis 30 Prozent tiefer liegen als das Erwerbseinkommen, sind die Hypotheken nach den üblichen, schematischen Tragbarkeitsrechnungen oft nicht mehr tragbar. Giampiero Brundia von der ­HypothekenBörse in Uster kennt solche Fälle: «In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Hypothekarschuldner in kurzer Zeit hohe Amortisationen leisten müssen.» Es komme neuerdings sogar vor, dass die Banken den Hauseigentümern dieser Altersgruppe den Verkauf des Eigenheims nahelegen würden.

Trifft vor allem jüngere Familien

Von weitreichenden Folgen spricht auch Michael Landolt, Ressortleiter Volkswirtschaft und Immobilienmarkt beim Hauseigen­tümerverband Schweiz (HEV): Bereits die Verschärfung bei den Pensionskassenbezügen im Jahr 2012 habe die Schwelle zum Kauf der eigenen vier Wände erhöht. Seither müssen die Käufer mindestens 10 Prozent «echte» Eigenmittel einbringen, die nicht der Pensions­kasse entstammen dürfen. «Das trifft vor allem jüngere Familien, die oft wenig eigene Mittel einbringen können», so Landolt. Entweder müssten sie ein günstigeres Haus suchen oder den Kauf aufschieben und länger sparen.

Seit Jahren wirken die Nationalbank (SNB) und die Finanzmarktaufsicht (Finma) unermüdlich darauf hin, bei der Kreditver­gabe strengere Massstäbe anzulegen. Anstelle von Gesetzesänderungen verständigte man sich mit der Bankiervereinigung (SBVg) auf verschiedene Massnahmen der Selbstregulierung, die im September noch einmal erweitert und verschärft wurden. In den revidierten Richtlinien für grundpfandgesicherte Kredite heisst es zum Beispiel, dass die Bank bei «bonitätsrelevanten Ereignissen» eine Prüfung vorzunehmen und Massnahmen daraus abzuleiten habe.

Höhere Amortisationen

Selbst geringfügige Änderungen des Lohns nehmen die Finanzinstitute heutzutage zum Anlass, den Schuldner unter Druck zu setzen. Stephan Zbinden vom FinanzZentrum Jungfrau warnt: «Die neuen Regeln der Bankiervereinigung und der Aufsichtsbehörden werden noch vielen Hypothekarnehmern Bauchschmerzen bereiten.» Laut Zbinden gelten nicht bloss bei Neugeschäften strengere Spielregeln: «Auch eine Aufstockung der Hypothek durch den Kunden oder eine Neubewertung der Immobilie nehmen die Banken zum Anlass, die Kreditdossiers genauer anzuschauen.» Hinzu kommt, dass Abweichungen von den Kreditrichtlinien seltener werden. Wenn man beispielsweise eine Weiterbildung macht, um später dafür ein höheres Salär zu haben, wird die Kreditabteilung nicht mehr ohne Weiteres ein Auge bei der Tragbarkeitsrechnung zudrücken.

Eingriff in die Bewertungen

Für besonders gravierend hält Zbinden die neue Vorschrift, dass die Banken bei unterschiedlichen Zahlen zum Wert einer Immobilie immer auf den tieferen Wert abstellen müssen: «In eher abgelegenen Regionen liegen die Schätzwerte der Banken öfters unter dem lokalen Marktniveau», warnt Zbinden. In Regionen, wo der Immobilienmarkt nicht dermassen rund läuft wie in den Agglomerationen und wo breit abgestützte Schätzwerte fehlen, werden Kredite künftig schwerer erhältlich sein. «Ich vermute», so Zbinden, «dass in ländlichen Regionen künftig weniger Bankinstitute überhaupt Offerten für Hypotheken unterbreiten werden.»

Nach Auffassung von Michael Landolt vom HEV Schweiz sind die Folgen für die potenziellen Käufer von Wohneigentum zu bedenken: «Natürlich hat es Konsequenzen, wenn die Banken neu von allen denkbaren Werten einer Liegenschaft von der tiefsten Zahl ausgehen müssen.» Die praktische Erfahrung lehrt, dass die Schätzwerte je nach Methode, je nach Bank oder Expertenmeinung abweichen können. Bis jetzt eröffnete sich damit Eigenheimkäufern eine Chance, bei einer zweiten Bank einen Kredit zu bekommen, wenn das erste angefragte Institut die Finanzierung verweigert hatte. Wenn die Banken nun öfters nicht mehr 80 Prozent der Kaufpreise finanzieren, werden künftig deutlich mehr Bankkunden einen höheren Anteil an Eigenkapital stemmen müssen.

Amortisationen werden weniger flexibel

Auch die Tatsache, dass die Hypotheken neu innerhalb von 15 Jahren linear amortisiert werden müssen, stellt einiges auf den Kopf. Bei einer Immobilie im Wert von 1 Million Franken ­entspricht dies neu 750 Franken Amortisationen – jeden Monat. Das trifft vor allem jüngere Schuldner und Familien, die Amortisationen bis jetzt flexibler auf ihre finanziellen Möglichkeiten im Lauf ihrer beruflichen Karriere abstimmen konnten. Zugleich ändert sich die Kalkulation für die finanzielle Tragbarkeit. Wer künftig um einen Kredit nachsucht, muss ein höheres Einkommen als bisher nachweisen können.

Offiziell gelten die neu formulierten Mindestanforderungen für Neugeschäfte und für Krediterhöhungen. Laut Lorenz Heim vom VZ VermögensZen­trum wird man es nicht dabei bewenden lassen: «Im Rahmen der Kreditüber­wachung werden auch bestehende Hypotheken immer wieder von Grund auf neu beurteilt und kritisch überprüft.»

Einzelne Institute legen schon heute strenge Massstäbe an. So geht die Berner Kantonalbank (BEKB) beispielsweise über die Mindeststandards der Bankiervereinigung hinaus: Während sonst die Hälfte des Eigenkapitals aus PK-Guthaben stammen darf, verlangt die BEKB «echte» Eigenmittel. Höchstens ein über die üblichen 20 Prozent hinausgehender Anteil Eigenkapital darf der Pensionskasse entnommen werden. BEKB-Sprecher Alex Josty begründet dies mit den Worten: «Die Sicherheit hat sowohl für die Kunden wie auch für die Bank oberste Priorität.»

Quelle: Handelszeitung

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