Was sagen Sie einem Steuerzahler, der sich betrogen fühlt, Frau Beutler?

Die Verpflichtung, die städtische Pensionskasse noch einmal mit knapp 60 Millionen Franken zu unterstützen, stamme noch aus der Zeit vor der Verselbstständigung, sagt Finanzvorsteherin Yvonne Beutler. Das Stimmvolk sei nicht getäuscht worden.

Die städtische Pensionskasse steckt in neuen Schwierigkeiten. Jetzt soll die Stadt wieder Geld einschiessen und dafür eine Rückstellung von 58 Millionen Franken auflösen. Woher stammt dieses Geld?
Yvonne Beutler: Die Rückstellung wurde im Rahmen des ersten Schrittes der Umstellung des Rechnungsmodelles von HRM 1 auf HRM 2 gebildet. Da im genannten Zeitpunkt der sich längerfristig abzeichnende technische Referenzzinssatz bei 2,75 Prozent lag, der vom Gemeinderat festgelegte technische Zinssatz aber bei 3,25 Prozent, waren wir zur Bildung der Rückstellung verpflichtet, zumal die Pensionskasse damals ja noch Teil der Stadtverwaltung war.

Was bedeutet das, wenn Sie nun die Rückstellung auflösen: Sinkt dann das spärliche städtische Eigenkapital um 58 Millionen?
Nein. Rückstellungen gelten als Fremdkapital, weshalb ihre Auflösung keinen Einfluss auf die Höhe des Eigenkapitals hat.

Als die Bevölkerung vor rund drei Jahren über die Pensionskassensanierung abstimmte und einen Einmalbetrag von 175 Millionen zur Sanierung guthiess, tat sie das im Eindruck, die Sanierung sei für die Öffentlichkeit damit abgeschlossen. Jetzt muss schon wieder Geld eingeschossen werden. Was sagen Sie einem Steuerzahler, der findet, er sei getäuscht worden?
Zum Zeitpunkt der Abstimmung war die Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus und somit der Ertragsmöglichkeiten der Pensionskasse noch nicht absehbar. Das aktuelle Zinsumfeld und damit verbunden die Tatsache, dass der technische Zinssatz weiter gesenkt werden muss, ist für alle Pensionskassen eine Herausforderung und somit nichts Winterthur-Spezifisches. Dass dadurch der Deckungsgrad nun wieder gesenkt wird, ist bedauerlich, da die Sanierung an sich auf gutem Weg ist. Ohne die Verschlechterung der Ertragslage hätte diese sogar schneller abgeschlossen werden können als ursprünglich geplant.

Auf welcher rechtlichen Grundlage wurden die Rückstellungen gebildet und auf welcher rechtlichen Grundlage werden sie aufgelöst?
Rückstellungen sind Verbindlichkeiten, welche hinsichtlich ihres Bestehens oder der Höhe ungewiss sind, aber mit hinreichend grosser Wahrscheinlichkeit erwartet werden. Aufgelöst wird die Rückstellung, weil das Ereignis, wofür sie gebildet wurde, nun eingetroffen ist. Die Rückstellung wurde durch die Finanzkontrolle geprüft und dem Gemeinderat im Rahmen der Abnahme des Bilanzanpassungsberichts zur Kenntnis gebracht.

Wer entscheidet darüber, ob die Reserve aufgelöst wird?
Der Stadtrat.

Ist es nicht irreführend, von einer verselbstständigten Kasse zu sprechen, wenn der Steuerzahler immer noch für Unterdeckungen geradestehen muss?
Die Unterdeckungskosten stammen noch aus der Zeit der Unselbstständigkeit, als die Pensionskasse somit noch Teil der Stadtverwaltung war. Festzuhalten ist zudem, dass die Steuerzahler vom tiefen Zinsniveau auch profitieren, indem die Zinskosten für das Fremdkapital im steuerfinanzierten Haushalt markant gesunken sind.

Quelle: Der Landbote
29.03.2016

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