Reformprojekt «Altersvorsorge 2020» – Luftschloss des Bundesrates

Das Reformprojekt des Bundesrats zur Altersvorsorge setzt in Sachen Pensionskassen auf Optimismus, um Rentensenkungen auf später zu verschieben.

Wer dem Bund für zehn Jahre Geld leiht, darf derzeit für das Privileg sogar noch etwas bezahlen. Die enorm tiefen Zinsen führen vielerorts in der Volkswirtschaft zu Spannungen. Auch die Pensionskassen haben ein Problem, weil die Renditen sinken. Der Bundesrat gibt sich aber optimistisch. Mit seinem Reformprojekt «Altersvorsorge 2020» will er zwar den Umwandlungssatz von derzeit 6,8% (bei welchem pro 100 000 Fr. Alterskapital 6800 Fr. Jahresrente fliessen) schrittweise auf 6% senken, doch auch dies würde aus heutiger Sicht noch hohe Renditen verlangen. Der Bundesrat rechnet mit Durchschnittsrenditen von 3,5% bis 4%.

Die vom Bund bestellte Analyse des Basler Wirtschaftsinstituts BAK mit Szenarien über mögliche Anlagerenditen bis 2035 stützt diesen Optimismus aber kaum. Bei einem Aktienanteil von 25% am Gesamtvermögen liegen laut den sechs gezeichneten Szenarien durchschnittliche Jahresrenditen von 2% bis 3% drin. Zieht man davon Verwaltungsgebühren von bis zu 0,5 Prozentpunkte ab, würden netto 1,5% bis 2,5% als «technischer Zinssatz» verbleiben (mit dem technischen Zinssatz rechnen Pensionskassen künftige Verpflichtungen auf den heutigen Wert herunter).

Nimmt man mit 2% den Mittelwert der Bandbreite, ergäbe dies laut dem Pensionskassenexperten Stephan Wyss von Swisscanto bei Annahme einer weiter steigenden Lebenserwartung einen mathematisch korrekten Umwandlungssatz von 5% – womit die Renten über einen Viertel tiefer sein müssten, als sie beim derzeitigen Umwandlungssatz sind, und einen Sechstel tiefer, als sie nach Vollzug des Reformpakets des Bundesrats wären. Bei einem technischen Zins von 3% läge der korrekte Umwandlungssatz gemäss Wyss bei 5,6% und damit immer noch deutlich tiefer als die vom Bundesrat anvisierte Marke. Die Kammer der Pensionskassenexperten empfiehlt einen Umwandlungssatz von 5,6%.

Geht man in die untere Hälfte der Bandbreite in den Szenarien, wären noch stärkere Rentensenkungen nötig. Laut Modellrechnungen des Forschungszentrums Generationenverträge von der Universität Freiburg i. Br. und der UBS läge bei einem technischen Zinssatz von 1,75% der korrekte Umwandlungssatz in zehn Jahren bei etwa 4,7% – womit die Renten über einen Fünftel unter dem Niveau sein müssten, das der Bundesrat vorsieht.

Es ist gut möglich, dass alle gezeichneten Szenarien zu pessimistisch sind. Es ist aber auch das Gegenteil möglich. Und wenn es besser kommt als erwartet, sind Korrekturen politisch viel leichter als im umgekehrten Fall. Hält man sich an die Bandbreite der sechs Szenarien, verschiebt der Bundesrat mit seinem Kurs schmerzhafte Rentensenkungen zulasten der Jüngeren auf später.

Zudem kompensieren manche Pensionskassen schon seit längerem die überhöhten Umwandlungssätze im Obligatorium durch massiv tiefere Sätze im Überobligatorium. Dies führt zu intransparenten Umverteilungen von «oben» nach «unten». Man könnte dies damit zu rechtfertigen versuchen, dass Personen, die wenig verdienen, tendenziell eine tiefere Lebenserwartung haben (vielleicht wegen Verhaltensunterschieden). Mit dieser Logik wäre aber jede Gruppe mit unterdurchschnittlicher Lebenserwartung – von den Rauchern über die Vielesser bis zu den Bewegungsmuffeln – durch eine höhere Rente zu belohnen.

Der Negativzins plagt die Pensionskassen

Die Einführung eines Negativzinses von 0,75% auf Giroguthaben der Banken durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) schafft in vielem ungewohnte Zustände. Er macht nicht nur die Anlage in Franken unattraktiver, er verschlechtert weiter auch die Renditeaussichten für die Sparer, unter ihnen an prominenter Stelle die Pensionskassen. Der Schweizerische Verband der Pensionskassen (Asip) bringt in diesem Zusammenhang gar kein Verständnis dafür auf, dass nun für Bargeld «Strafzinsen» drohen, wogegen für die grösste Kasse des Landes, Publica, eine Vorzugsbehandlung vorliege; Publica ist mit einem Vermögen von rund 37 Mrd. Fr. die grösste Kasse des Landes. Der Asip hat sich bei der SNB schriftlich beklagt.

Der Direktor der Publica, Dieter Stohler, bringt Verständnis für den Asip-Vorstoss auf. Inländische Sparer auf dem Feld der sozialen Sicherheit sollten nicht bestraft werden. Es verhalte sich tatsächlich so, dass die SNB dem Bund und ihm nahestehenden Betrieben – die Publica gehört in den weiter gefassten Kreis der dezentralen Bundesverwaltung – Giro-Dienste zu 0% Zins anbiete. Stohler gibt weiter zu bedenken, dass die Proportionen gewahrt werden. Die Minderkosten würden unter 1‰ der Jahres-Performance betragen; es könnten nicht unlimitiert Gelder auf dem seit Jahren bestehenden SNB-Girokonto gehalten werden, und es sei nicht ausgeschlossen, dass die SNB-Bestimmungen eines Tages änderten.

Viel grösser als eine direkte Ersparnis aufgrund der Nichtbelastung durch Negativzinsen seien die indirekten Kosten daraus. Die Absicherungskosten für Fremdwährungsrisiken seien seit der Aufgabe des Euro-Mindestkurses um ein Mehrfaches gestiegen und im Verhältnis dazu viel grösser. Viele Pensionskassen sind in den kommenden Wochen und Monaten gezwungen, ihre Strategie zur Absicherung der Wechselkursrisiken zu überdenken.

Quelle: NZZ

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