Das Loch in der BVK ist noch viel grösser als bisher zugegeben

Bei realistischer Berechnung beträgt die Unterdeckung bei der Kantonalzürcher Pensionskasse BVK laut Experten 15 Milliarden Franken. Auch werde immer noch mit veralteten Lebenserwartungen gerechnet.

Es sind keine schönen Zahlen, welche die Führung der Personalvorsorge des Kantons Zürichs kurz vor den Wahlen ins Netz stellte. 300 Millionen Verlust machte die Kasse letztes Jahr. Das führte zu einem Deckungsgrad von gerade noch 86 Prozent. Damit fehlen offiziell 3,3 Milliarden Franken in der Kasse. Einmal mehr wurde das Geld der aktiven Versicherten benützt, um die Ansprüche der Pensionierten zu finanzieren. 46 Prozent der Vermögen der Kasse liegen nun bei den Rentnern, die nur 27 Prozent der Mitglieder ausmachen. Das Guthaben der Aktiven ist im Schnitt nur halb so gross wie bei den Pensionierten.

Dass das problematisch ist, bestreitet nicht einmal die kantonale Finanzverwaltung. Sprecher Roger Keller: «Die Reduktion des Deckungsgrades im Jahr 2010 zeigt, wie richtig und wichtig es ist, für eine nachhaltige Finanzierung der BVK zu sorgen, wie sie die Vernehmlassungsvorlage vorsieht. Die Finanzierung der Renten konnte 2010 erneut nur dank einer Querfinanzierung durch die aktiven Versicherten erreicht werden.» Ein Blick in die Rechnung zeigt auch, dass die Kasse nach wie vor sehr risikoreich aufgestellt ist. So hat sie einen schönen Teil ihrer Währungsrisiken bei Fremdwährungsobligationen nicht abgesichert, was prompt zu hohen Verlusten führte. Und die Immobilien, die im Ausland zusammengekauft wurden, rentierten zwar in Lokalwährung, aber in Schweizer Franken kaum. Bei den sogenannten alternativen Anlagen sind illiquide Hedgefonds-Positionen von 66 Millionen Franken zu finden. Diese Positionen haben in der Vergangenheit zu hohen Verlusten geführt, und einige an der Verwaltung dieser Vermögen Beteiligte sassen und sitzen zum Teil für lange Zeit in Untersuchungshaft.

Unrealistische Erwartungen

Ein weiteres Problem ist, dass die Kantonalzürcher Beamtenversicherung BVK bei der Berechnung der Altersrenten von einer unrealistisch hohen Verzinsung von 4 Prozent ausgeht. Dies, obwohl die BVK im Schnitt zwischen 2004 und heute laut einem Gutachten von Professor Martin Janssen von der Uni Zürich nur etwa 2 Prozent rentierte. Im Vergleich dazu machte die Stadtzürcher Pensionskasse einen mehr als doppelt so hohen Kapitalertrag. Die unrealistischen Angaben führen dazu, dass die ausgewiesene Unterdeckung von 3,3 Milliarden Franken viel zu gering ist. Janssen: «Ein mit korrekten Zinsen berechneter Deckungsgrad würde etwa bei 70 Prozent liegen. Berücksichtigt man, dass die Kasse beim heutigen Anlagerisiko einen Deckungsgrad von etwa 120 Prozent braucht, sieht man, dass die BVK etwa 70 Prozent mehr Kapital braucht, als sie hat. Das heisst, es fehlen der Kasse heute etwa 15 Milliarden Franken.»

Wird noch Milliarden kosten

Langsam wird klar, welches Ausmass die Affäre bei der BVK hat. Nicht nur, dass es zu einem Bestechungsskandal in Millionenhöhe kam, ist bitter für die Versicherten. Noch viel gravierender sind die Auswirkungen der verfehlten Anlagepolitik. Und dass die beiden Missstände einen Zusammenhang haben, wird immer offensichtlicher. Professor Janssen sagt es so: «Die Gründe für diese Situation sind vielfältig. Ein Grund ist in der Anlagepolitik zu suchen, die meines Erachtens nicht systematisch nach den Regeln der Kunst erfolgt ist.»Dieser Meinung sind auch die dem TA vorliegenden Stellungnahmen zum offiziellen Sanierungskonzept der BVK. Ende letzten Jahres schlug Regierungsrätin Ursula Gut (FDP) vor, dass sich der Kanton und die Versicherten gemeinsam an der Sanierung der Kasse beteiligen sollten.

Ende Januar lief die entsprechende Vernehmlassung ab, und laut einem Schreiben von Gut haben sich daran 260 der über 500 bei der BVK angeschlossenen Gemeinden und Betriebe geäussert. Und die wollen den Kanton stärker in die Pflicht nehmen. Das ist nicht chancenlos, denn gemäss Geschäftsbericht ist der Zürcher Regierungsrat oberstes Organ der Kasse und damit in der Pflicht. «Die BVK wird den Zürcher Steuerzahler wohl noch viele Milliarden kosten», sagt Janssen. «Wir haben die vorgeschlagene Sanierung der BVK abgelehnt, weil wir der Meinung sind, dass der Kanton haftet. Offenbar will man vor den Wahlen nicht die ganze Wahrheit auf den Tisch legen», meint auch Ingrid Hieronymi, zuständig für die Versicherten von Langnau am Albis. Von Wahltaktik will Keller nichts wissen. «Der Fahrplan steht mit den Wahlen in keinem Zusammenhang», meint der Regierungssprecher.

Quelle: Tages-Anzeiger

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