Eine nachhaltige BVG-Reform

22.11.2019

Ein Alterssparen ab 20 Jahren, weniger stark ansteigende Altersgutschriften sowie ein reduzierter Koordinationsabzug: Das wären sinnvolle Schritte für eine Reform der zweiten Säule.

Angesichts des Tiefzinsumfeldes sowie der steigenden Lebenserwartung muss eine Reform der beruflichen Vorsorge weit oben auf der politischen Agenda stehen. Der Schweizerische Pensionskassenverband (Asip) hat im Mai dieses Jahres einen praxisorientierten Vorschlag veröffentlicht. Im Sommer haben Travail Suisse, der Schweizerische Gewerkschaftsbund und der Arbeitgeberverband den «Sozialpartnerkompromiss» präsentiert, der aber vom Gewerbeverband nicht mitgetragen wurde.

Alterssparen ab 20 Jahren

Der Asip schlägt zur Sicherstellung des heutigen Leistungsziels ein Alterssparen ab Alter 20, moderat angepasste und weniger stark steigende Altersgutschriften sowie einen reduzierten Koordinationsabzug vor. Diese Korrekturen führen zu einem höheren Altersguthaben bei Pensionierung und erlauben deshalb eine Anpassung des BVG-Umwandlungssatzes auf 5,8 Prozent im Alter 65. Zur Abfederung dieser Anpassung für die älteren Versicherten soll das BVG-Altersguthaben bei einer Pensionierung mit Rentenbezug innert zehn Jahren um einen definierten Prozentzuschlag erhöht werden – eine einfache und praktikable Lösung. Der grösste Teil der Versicherten ist nämlich von einer Senkung des BVG-Umwandlungssatzes gar nicht betroffen: Sie sind in umhüllenden Vorsorgeeinrichtungen versichert, die schon heute einen Umwandlungssatz von durchschnittlich 5,8 Prozent kennen. Entsprechende Mittel für die Finanzierung dieser Übergangsmassnahme sind zudem bei jeder BVG-nahen Kasse bereits vorhanden, da nach heutigen Vorgaben ab dem frühestmöglichen Rücktrittsalter die Pensionierungsverluste zurückzustellen sind. Damit ergibt sich durch den Vorschlag des Asip für die Übergangsmassnahme keine oder nur eine geringe Zusatzbelastung bei BVG-nahen Vorsorgeeinrichtungen.

Der «Sozialpartnerkompromiss» schlägt dagegen einen lebenslänglich auszubezahlenden Rentenzuschlag für alle Neurentner der nächsten fünfzehn Jahre vor. Dieser beträgt ab Inkrafttreten der Reform für die ersten fünf Jahrgänge 200 Franken, für die nächsten fünf Jahrgänge 150 Franken und für die weiteren fünf Jahrgänge 100 Franken pro Monat. Dieser Zuschlag soll mit einem zeitlich unbegrenzten Beitrag von 0,5 Prozent auf dem AHV-Lohn finanziert werden. Für den grössten Teil der Versicherten in umhüllenden Vorsorgeeinrichtungen mit einem über dem BVG liegenden Altersguthaben wird damit ein Problem gelöst, das für diese gar nicht besteht: Sie sind von einer Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes nicht betroffen und brauchen somit keine Kompensation.

Teurer Leistungsausbau

Wie oben erwähnt, beträgt der durchschnittliche Umwandlungssatz bei Pensionskassen bereits heute 5,8 Prozent – er entspricht also dem vom Asip vorgeschlagenen Niveau für das BVG-Minimum. Mit dem «Sozialpartnerkompromiss» wird innerhalb der zweiten Säule eine im Umlageverfahren finanzierte Zusatzrente eingeführt, die für die Mehrheit der Versicherten einen unnötigen Leistungsausbau mit hohen Kosten zur Folge hat. Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die in der Vergangenheit mehr als das gesetzliche Minimum bezahlt haben, würden ein zweites Mal zur Kasse gebeten. Statt die Umverteilung mit realistischeren Rahmenparametern zu reduzieren, wird die Umverteilung von Jung zu Alt und von Kassen mit einer vorteilhaften Altersstruktur zu den anderen verstärkt.

Insgesamt erfüllt der Asip-Vorschlag die Forderungen nach einer wirksamen BVG-Reform und trägt den in den Pensionskassen bereits sozialpartnerschaftlich gefällten Entscheiden Rechnung. Die Situation der älteren Versicherten und der Teilzeitangestellten würde verbessert. Vergleicht man die künftigen Leistungen der einzelnen Rentnerjahrgänge der nächsten vierzig Jahre unter Anwendung einer realistischen Realverzinsung ihrer Altersguthaben bis zur Pensionierung mit dem ursprünglichen Leistungsziel des BVG, so ergeben sich dank den Übergangsmassnahmen und der Verstärkung des Sparprozesses keine Verlierer. Es würde sich also lohnen, diesen Vorschlag ernsthaft zu prüfen.

Quelle: NZZ
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