Immer weniger Pensionskassen in der Schweiz

Neben dem immer höheren Aufwand gilt die Angst von Arbeitgebern vor teuren Sanierungen als Grund für die sinkende Zahl an Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz. Der Konzentrationstrend dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen.

Die Zahl der Schweizer Pensionskassen schrumpft. Gemäss im Februar veröffentlichten Kennzahlen des Statistischen Bundesamts zur beruflichen Vorsorge gab es per Ende 2012 noch 2073 Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz, 2006 waren es noch 2669. Gleichzeitig stieg die Zahl der aktiven Versicherten im selben Zeitraum von 3,43 Mio. auf 3,86 Mio. Der Trend hält schon länger an. Wie Berechnungen der Denkfabrik Avenir Suisse zeigen, ist die Zahl der Pensionskassen seit 1998 im Durchschnitt um 4,2% pro Jahr gefallen. Besonders stark war der Rückgang in den vergangenen Jahren bei kleineren Vorsorgeeinrichtungen mit weniger als 100 Versicherten (vgl. Grafik). Die Zahl der grösseren Pensionskassen mit mehr als 1000 Versicherten stieg hingegen sogar mit durchschnittlich 1,5% pro Jahr.

Grosse Kassen dominieren

Dass die Konzentration immer stärker in Gang kommt, zeigt auch eine Statistik der Anlagegesellschaft Swisscanto, die diese bei einem Pensionskassen-Anlass im vergangenen Jahr präsentierte. Gemäss dieser liegen bereits 86% der Vermögen von Schweizer Vorsorgeeinrichtungen in «grossen» Kassen mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 1 Mrd. Fr.

Abnahme der Pensionskassen in der Schweiz

Fachleute haben mehrere Erklärungen für den Trend. Laut Peter Zanella und Ljudmila Bertschi von der Beratungsgesellschaft Towers Watson sorgt die immer grössere Regulierungslast dafür, dass Arbeitgeber ihre Pensionskassen zumachten und sich Sammeleinrichtungen, Verbandslösungen oder Gemeinschaftsstiftungen anschlössen. Als Beispiel nennen sie die Strukturreform des Gesetzes zur beruflichen Vorsorge (BVG-Strukturreform). Solche Regulierungen machten es vor allem für kleine und mittelgrosse Unternehmen (KMU) immer unattraktiver, eigene Pensionskassen zu betreiben.

Lorbeeren als Stiftungsrat?

Auch Jérôme Cosandey vom Think-Tank Avenir Suisse spricht von einer «unschönen Bereinigung» bei den Vorsorgeeinrichtungen. Die Branchenkonsolidierung sei keine Folge eines gesunden Wettbewerbs, sondern die Konsequenz einer zunehmenden Regulierung, die kleine Kassen «erwürge». Angesichts der hohen Fixkosten sei es schwierig geworden, Pensionskassen mit weniger als 300 Versicherten zu betreiben. Ausserdem sei durch die BVG-Strukturreform die Verantwortung der Stiftungsräte gestiegen. Mehr und mehr setze sich bei Arbeitnehmern die Sichtweise durch, als Stiftungsrat könne man heutzutage nur noch wenig Lorbeeren gewinnen. Entsprechend schwer täten sich viele Unternehmen damit, gut qualifizierte Arbeitnehmer-Vertreter für den Pensionskassen-Stiftungsrat zu gewinnen.

Gemäss Branchenexperten ist ein weiterer Grund für den Rückgang der Zahl der Vorsorgeeinrichtungen darin zu finden, dass Arbeitgeber ihre Risiken zunehmend begrenzen. Die Finanz- und Schuldenkrise sowie die extrem niedrigen Zinsen machen die Vermögensverwaltung sehr schwierig. Nach zwei guten Aktienjahren 2012 und 2013 haben die Schweizer Pensionskassen zwar ihre finanzielle Lage verbessert, die Leistungsversprechen bleiben aber zu hoch. So droht die Gefahr, dass viele Arbeitgeber ihre Vorsorgeeinrichtungen in schwierigeren Zeiten sanieren müssen. Nicht wenige Unternehmen, vor allem kleinere, entledigen sich dieses Risikos lieber heute als morgen.

Profiteure des Trends

Von dem Trend hin zur Auslagerung von Risiken profitieren unter anderem Lebensversicherungen. Axa Winterthur und Swiss Life beispielsweise sind im Geschäft mit der beruflichen Vorsorge in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Swiss Life gab bei der Präsentation des Jahresabschlusses 2013 Ende Februar dieses Jahres an, im Bereich Unternehmenskunden sei die Vollversicherung in der beruflichen Vorsorge von Schweizer KMU weiter stark nachgefragt worden. Im BVG-Geschäft stiegen die Prämieneinnahmen von Swiss Life Schweiz im Jahr 2013 um 13% auf 7,6 Mrd. Fr.

Wenige Tage zuvor hatte die Wettbewerberin Axa Winterthur ihr Jahresergebnis veröffentlicht. Bei ihr stiegen die eingenommenen Bruttoprämien im Kollektivleben-Geschäft 2013 um 9,5% auf 7,4 Mrd. Fr. Im Neugeschäft habe Axa Winterthur mit ihren Vollversicherungs- und teilautonomen Vorsorgemodellen ein Wachstum von fast 25% erzielt, hiess es in einem Communiqué. Die Nachfrage nach Vollversicherungslösungen sei weiterhin sehr hoch. Gerade für KMU hätten diese einen hohen Stellenwert, da das Bedürfnis nach Sicherheit dort besonders hoch sei, teilte der Versicherer mit.

Mögliche Gefahren

Gemäss Branchenexperten waren unter den in den vergangenen Jahren «verschwundenen» Vorsorgeeinrichtungen auch einige Kleinstgebilde, die wenig professionell verwaltet wurden. Zudem bringt die Konzentration gewisse Grössenvorteile, beispielsweise bei den Kosten der Vermögensverwaltung. Allerdings geht die Vielfalt in der beruflichen Vorsorge zunehmend verloren.

Zanella und Bertschi sehen ausserdem die Gefahr, dass Versicherungen und Sammeleinrichtungen in Zukunft solch hohe Summen an Vorsorgegeldern verwalten, dass dies Machtmissbrauch ermöglichen und ein «Too big to fail»-Problem entstehen könnte. Gleichzeitig könne die Haltung von Unternehmern, sie wollten mit der beruflichen Vorsorge «nichts zu tun haben», trügerisch sein. Ein gewisser Verwaltungsaufwand bleibe auch nach einer Auslagerung. Zudem sei damit zu rechnen, dass eine solche zulasten der Rendite der Versicherten gehe. Diese müssten sich in vielen Fällen auf eine sehr geringe Verzinsung ihrer Vorsorgegelder gefasst machen. Eine gewisse Notwendigkeit zur Schaffung grösserer Anlage-Gefässe sehen die Towers-Watson-Berater. Ab einer Firmengrösse von 200 bis 300 Mitarbeitenden sollten Unternehmen sich aber auch der Vorteile einer firmeneigenen Pensionskasse bewusst sein.

Unterdessen ist auch in anderen Ländern ein Trend hin zu weniger Vorsorgeeinrichtungen zu beobachten. Gemäss der Beratungsgesellschaft Cerulli gab es beispielsweise in den Niederlanden, die ebenfalls eine lange Tradition in der beruflichen Vorsorge haben, 2012 insgesamt 672 Vorsorgeeinrichtungen. Im Jahr 2008 waren es noch 908.

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