Jahresbilanz der Schweizer Versicherer – Langeweile auf hohem Niveau

Die Bilanz der Schweizer Assekuranz für das verflossene Jahr sieht noch ansprechend aus. Ein kräftiger Einbruch der Inlandkonjunktur oder heftige Finanzmarktturbulenzen würden auch den Versicherern zusetzen

Die Aufgabe des Euro-Mindestkurses und die Einführung von Negativzinsen durch die Schweizerische Nationalbank haben auch für die Versicherungswirtschaft Konsequenzen, die zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht voll absehbar sind. Naheliegenderweise wagte sich der Präsident des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV), Urs Berger, am Jahresanlass der Branche nicht auf die Äste hinaus, wenn es um die Zukunft geht. Je nach Entwicklung werde die Assekuranz Massnahmen ergreifen, um die Leistungsfähigkeit und Profitabilität zu gewährleisten.

Vom Wert von Garantien

Indirekt war damit angesprochen, dass die Versicherer im Gleichschritt mit der Wirtschaft, den Unternehmen und den Kunden wachsen – oder eben auch schrumpfen werden. Sinken die Löhne, sinken die versicherten Sozialansprüche; sind die Schweizer auf den Strassen mit weniger PS unterwegs, sinken auch die Erträge aus der Motorfahrzeugversicherung. Im vergangenen Jahr legten die Prämieneinnahmen in der Lebensversicherung um 1,1% auf 33,0 Mrd. Fr. und in der Schadenversicherung um 1,0% auf 26,4 Mrd. Fr. zu. Das war nicht gerade spektakulär, schon eher «wertschöpfende Langeweile auf hohem Niveau», wie es Berger formulierte.

Dass aber das Bedürfnis nach Kapitalschutz und sicherer Verzinsung dieses Jahr weiter an Bedeutung gewinnen wird, ist wegen der nicht ausgestandenen Euro-Turbulenzen und des Ausnahmezustandes an der Zinsfront keine gewagte These. Mit Blick auf den durch den Bundesrat für 2015 gesetzten BVG-Mindestzins von 1,75% fehlt es jedenfalls nicht an Herausforderungen. Eine solche Rendite kann ohne das Eingehen erheblicher Anlagerisiken sicherlich nicht mehr erreicht werden.

Berger forderte, der Branche Freiräume zu öffnen und mit dem Ausforsten des Regulierungsgestrüpps mutig vorwärtszumachen. Warum nicht die längst nicht mehr ergiebige Stempelsteuer auf Lebensversicherungen abschaffen? Warum nicht das Versicherungsvertragsgesetz um einige griffige Paragrafen ergänzen, statt ein ohnehin überladenes Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) im Windschatten der EU-Gesetzesflut noch komplizierter zu gestalten? Einiges verspricht sich der SVV von einer privatwirtschaftlichen Ausbildungsoffensive, um die Qualität der Beratung für gebundene und freie Vermittler zu verbessern. SVV-Direktor Lucius Dürr trat ein für einen offenen Dialog mit Konsumentenschutz-Verbänden, um eine Regulierung zu schaffen, die mehr Nutzen stiftet als Kosten verursacht.

Gegen härtere Mindestquote

Obschon die BVG-Vollversicherung in der schweizerischen KMU-Welt seit Jahren beliebt ist, werden ihr auch im Rahmen des Reformprojekts «Altersvorsorge 2020» Steine in den Weg gelegt. Antimo Perretta, Konzernchef der Axa Winterthur, legte dar, seit 2008 sei die Zahl der Personen, die einer BVG-Vollversicherung angeschlossen seien, um 10,7% auf 1,04 Mio. gewachsen. Die Wahlfreiheit für Unternehmen, ihre berufliche Vorsorge nach eigenem Gutdünken zu organisieren, ist in der Einschätzung Perrettas eine Trumpfkarte schweizerischer Sozialpolitik. Der Versicherungsspezialist brachte wenig Verständnis für die Polemik «aus der linken Ecke» auf und widerlegte deren Standard-Argument wegen angeblich überrissener Kapitalrenditen mit einer in die Botschaft zur «Altersvorsorge 2020» eingebrachten Statistik (siehe Tabelle).

Für die Stossrichtung der Reformagenda von Sozialminister Alain Berset fand Perretta anerkennende Worte; die Erhöhung des AHV-Referenz-Alters (auf 65/65), die Flexibilisierung der Pensionierung wie auch die Senkung des Rentenumwandlungssatzes von 6,8% auf 6,0% werden unterstützt wie auch einiges anderes. Die Erhöhung der BVG-Mindestquote von 90% auf 92% werde vom SVV aber klar abgelehnt, denn die Verschärfung bewirke das Gegenteil des Gewünschten. Die Lebensversicherer würden zu einer defensiveren Anlagestrategie gezwungen, und damit werde der zu verteilende Kuchen kleiner statt grösser.

Quelle: NZZ
Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *