Pensionskassen springen auf den Ökozug auf

Nicht nur Private, auch Unternehmen und Pensionskassen setzen vermehrt auf nachhaltige Finanzanlagen, die ökologische, soziale und ethische Grundregeln befolgen. Sie tun es nicht wegen des Gewissens.

Nachhaltiges Investieren erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Das hört man zwar schon seit langer Zeit. Doch in den letzten Jahren scheint sich der Trend zu ­beschleunigen. Grüne Fonds, wie sie vor allem von Privatanlegern gekauft werden, verzeichnen zwar nur leichte Zuwächse.

Doch ein markanter Sprung um 166 Prozent ist bei den Mandaten zu beobachten, die von institutionellen Anlegern ihren Vermögensverwaltern vergeben werden.

Das geht so: Eine Pensionskasse erteilt der Bank X zum Beispiel den Auftrag, eine halbe Milliarde Dollar in US-Aktien zu investieren. Wobei die Bank X nur solche US-Aktien auswählen darf, die als nachhaltig gelten. Und nachhaltig ist ein Unternehmen dann, wenn es ökologische, soziale und ethische Prinzipien einhält. In der Fachwelt hat sich für dieses Verhalten das Kürzel ESG durchgesetzt: Environmental, Social, Governance.

Gewissen oder Rendite?

Warum haben Grossinvestoren wie Pensionskassen oder Unternehmen plötzlich nachhaltige Anlagen entdeckt? Tun sie das, um das Gewissen zu beruhigen, oder tun sie es, weil sie sich mit nachhaltigen Anlagen eine höhere Rendite erhoffen? «Privatanleger tun es mehrheitlich wegen des Gewissens.

Institutionelle Anleger vor allem auch wegen der Rendite», sagt Sabine Döbeli, Geschäftsleiterin von Swiss Sustainable Finance. Denn mehr und mehr scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass Unternehmen, welche gegen ökologische, soziale und ethische Regeln verstossen, langfristig Probleme bekommen werden.

Kohle? Nein, danke

Beispiel Publica: Die Pensionskasse des Bundes hat vor zwei Jahren alle Aktien von Kohleproduzenten aus dem Portefeuille genommen. Nicht wegen des ­Gewissens, sondern «aufgrund der potenziellen wirtschaftlichen ­Risiken», erklärt Publica-Direktor Dieter Stohler.

Zu diesem Ausschluss sei man gekommen, nachdem man die Auswirkungen des Klimawandels auf die Vermögensanlagen vertieft untersucht gehabt habe. «Wir gehen nicht davon aus, dass der Ansatz von Publica automatisch zu einer besseren Performance führt.

Hingegen vermuten wir, dass umsichtig und gut geführte Unternehmen längerfristig weniger ­finanzielle Risiken haben als solche, die immer wieder im Konflikt mit Gesetz und internationalen Normen sind», so Stohler.

Und auf die Frage, weshalb sich die Pensionskasse der Post auf verschiedenen Ebenen für nachhaltige Anlagen starkmacht, erklärt Geschäftsführerin Françoise Bruderer: «Wegen der sozialen Verantwortung und der Überzeugung, dass nachhaltige Anlagen längerfristig mindestens so gut rentieren wie andere.»

Nachhaltige Anlagen in der Schweiz

Was heisst nachhaltig?

Doch was nachhaltig ist und was nicht, ist keine exakte Wissenschaft. So gibt es die unterschiedlichsten Anlagestrategien dazu, der Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Man kann gewisse Branchen ausschliessen, die per Definition mit nachhaltigen Werten im Widerspruch stehen.

Rüstungs- und Tabakindustrie sind solche Industriezweige. Bekannt ist auch der Best-in-Class-Ansatz, wie er häufig bei grünen Fonds für Privatanleger zur Anwendung kommt.

Hier sucht man jene Aktiengesellschaften heraus, die innerhalb ihrer Branche am meisten für den Umweltschutz tun. Das führt dazu, dass auch klassische Umweltverschmutzer in ein Anlageportefeuille geraten. Für Sabine Döbeli ist das insofern gerechtfertigt, als sich umweltschonende Massnahmen in verschmutzenden Branchen besonders stark auswirken.

Lange Jahre galt BP innerhalb der Ölindustrie als Vorzeigeunternehmen, weshalb BP-Aktien in gewissen grünen Fonds zu finden waren. Bis dann im April 2010 die Bohrplattform Deep­water Horizon in Brand geriet und im Golf von Mexiko die grösste Ölpest der Geschichte verursachte.

Anlageberater sind nicht grün

Gemäss einer Umfrage von GFS im Jahr 2014 sprachen sich 72 Prozent der befragten Schweizer dafür aus, dass bei der Verwaltung ihrer Pensionskassengelder nachhaltige Kriterien berücksichtigt werden. Und gemäss einem «World Wealth Report» aus dem Jahr 2015 geht hervor, dass 92 Prozent von vermögenden Privatkunden mit ihrem Vermögen auch positive Wirkungen erzielen möchten.

Interessant ist jedoch der Befund von Schroders. Der international tätige Ver­mögensverwalter mit Hauptsitz London will herausgefunden haben, dass Anlageberater weniger Gewicht auf nachhaltige Aspekte legen als Anleger.

Womöglich zweifeln sie daran, dass nachhaltige Anlagen punkto Rendite mindestens so gut abschneiden wie konventionelle. Denn es gehört zu den unan­genehmeren Pflichten eines Anlageberaters, dem Kunden ge­genüber unterdurchschnittliche Renditen zu rechtfertigen. Womit sich die Frage aufdrängt: ­Rentieren nachhaltige Anlagen schlechter als herkömmliche?

Je nachdem, mit welchem Börsenindex der Vergleich herangezogen wird, rentierten Aktien mit einem ESG-Ansatz besser oder auch schlechter. Doch Sabine Döbeli ist überzeugt: «Mit nachhaltigen Anlagen erzielt man eine marktgerechte Performance.»

Tabak? Nein, danke

Die Deutsche Asset Management und die Universität Hamburg wollen mit einer Studie belegt ­haben, dass sich nachhaltiges ­Investieren finanziell lohnt. Andere Untersuchungen kommen zu einem anderen Schluss. Und dann gibt es das Beispiel von Calpers, der Pensionskasse für die Angestellten des US-Staats Kalifornien. Im Jahr 2000 hat sie sämtliche Tabakfirmen aus dem Portefeuille verbannt.

Gemäss einer Studie sollen dadurch Calpers zwischen 2001 und 2014 gut 3 Milliarden Dollar entgangen sein. Trotzdem hat Calpers gemäss Medienberichten diesen Entscheid sogar noch bestärkt und beschlossen, auch für extern verwaltete Vermögen Tabakfirmen auszuschliessen. Die Begründung: erwartete langfristige finanzielle Risiken wegen drohender Klagen.

Zum Schluss noch dies: Von wem stammt der folgende Satz? «Eine Erwärmung unseres Planeten durch Treibhausemissionen führt zu substanziellen Risiken für die globale Wirtschaft und wird umfangreiche Auswirkungen auf praktisch alle Sektoren haben.» Nun, es war nicht Marco Lambertini, der Generaldirektor vom WWF. Auch nicht Nicholas Stern, Autor des «Stern-Reports».

Es war der Multimilliardär Michael Bloomberg, Gründer der Finanzdatenagentur Bloomberg LG und ehemalige Bürgermeister von New York. Bloomberg war es auch, der Donald Trump wiederholt kritisierte – auch wegen dessen Äusserungen zur Klimaveränderung.

Quelle: Berner Zeitung
20.01.2017

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