Personal muss beim Wechsel der Pensionskasse mitbestimmen

02.6.2020 Das Bundesgericht macht klar, dass Arbeitnehmer beim Wechsel der beruflichen Vorsorge ein Mitbestimmungsrecht haben. Will der Arbeitgeber den Anschlussvertrag mit der bisherigen Pensionskasse kündigen, braucht er dafür die Zustimmung des Personals.

Im Kanton Bern waren mehrere Berufsverbände an eine Vorsorgestiftung angeschlossen, um die zweite Säule garantieren zu können. Per Ende 2017 entschlossen sich die Verbände allerdings, die Anschlussvereinbarung mit der Pensionskasse aufzulösen. Bei der Bernischen BVG- und Stiftungsaufsicht reichten sie in der Folge ein Gesuch ein, wonach die Vorsorgestiftung teilweise liquidiert werden sollte.

Die Aufsicht prüfte das Gesuch und stellte fest, dass die Anschlussvereinbarung ordnungsgemäss gekündigt worden sei. Da die Gründerverbände die Kündigung getätigt hätten, liege darüber hinaus ein sogenannter Teilliquidationsbestand vor. Die Aufsicht wies daher die Pensionskasse an, die geforderte Teilliquidation umgehend durchzuführen – gestützt auf das entsprechende Reglement.

Das Gesetz ist klar

Gegen die Verfügung der Aufsicht gelangte die Pensionskasse an das Bundesverwaltungsgericht, das die Beschwerde 2019 ablehnte. Anders das Bundesgericht: In ihrem am Dienstag publizierten Urteil heissen die Richterinnen und Richter der zweiten sozialrechtlichen Abteilung in Luzern die Beschwerde der Pensionskasse gut.

Sie verweisen auf das «Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)», genauer auf Artikel 11 Absatz 3bis. Dieser hält ausdrücklich fest: «Die Auflösung eines bestehenden Anschlusses an eine Vorsorgeeinrichtung sowie der Wiederanschluss an eine neue Vorsorgeeinrichtung durch den Arbeitgeber erfolgt im Einverständnis mit dem Personal oder der allfälligen Arbeitnehmervertretung.» Darüber hinaus hat die Vorsorgeeinrichtung die Auflösung des Anschlussvertrages zu melden.

Das Bundesverwaltungsgericht ging in seinem Urteil davon aus, im vorliegenden Fall habe sich das Personal mit der Kündigung einverstanden erklärt. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hätten durch ihren Arbeitgeber noch während der Kündigungsfrist von der Kündigung erfahren und keine Einwände dagegen erhoben.

Ohne Zustimmung keine Kündigung

Das Bundesgericht beurteilt dies indes anders. Es verweist darauf, dass das Einvernehmen zwischen dem Arbeitgeber und seinem Personal «seit je von grundlegender Bedeutung» gewesen sei. Die heute geltende Regelung (Artikel 11 Absatz 3bis des BVG) beruhe auf einem Vorschlag der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, die grossen Wert auf ein unmittelbares Mitwirkungsrecht der Gesamtheit des Personals beziehungsweise von dessen Vertretung gelegt habe. Folglich habe dem Gesetzgeber vorgeschwebt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam über die Wahl der Vorsorgeeinrichtung entscheiden. Gerade dafür sei den Arbeitnehmern ein besonderes, ein «echtes» Mitwirkungsrecht eingeräumt worden.

Die Richter in Luzern halten in aller Klarheit fest, es reiche nicht aus, das Personal erst nach der Kündigung zu orientieren oder anzuhören. Vielmehr müsse das Personal einem Wechsel der Pensionskasse vorab zustimmen. Im vorliegenden Fall sei das Mitwirkungsrecht allerdings von einem «Mitgestalten» in ein «Opponieren» verkehrt worden. Damit gehe eine spürbare Schwächung der Position des Personals einher. Konkret würden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so vor ein «fait accompli», also vor vollendete Tatsachen gestellt und damit sich selbst überlassen. In der Konsequenz hiesse das: Würden sie übergangen, müssten sie sich selbst organisieren. Dies widerspreche allerdings dem kollektiven Charakter des Mitwirkungsrechts.

Abschliessend macht das Bundesgericht deutlich, ohne eine Einwilligung der Arbeitnehmer zur Kündigung des Anschlussvertrags seien dem Arbeitgeber die Hände gebunden. Fehle eine entsprechende Zustimmung des Personals, sei die Kündigung ungültig.

Urteil 9C_409/2019 vom 5. 5. 2020 – BGE-Publikation

Quelle: NZZ

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