Schriller Machtkampf um die BVK

Zwischen der Pensionskasse BVK und dem Personalverband VPOD sind die Fronten verhärtet. Der Verband brüskiert vor den Wahlen eigene Stiftungsräte, spricht von einer Demontage der Kasse und von Geheimnistuerei.

Mit wem man auch spricht, es wird sofort emotional. Sei es mit Lilo Lätzsch, der Präsidentin des Stiftungsrats der Zürcher BVK. Sei es mit Christoph Lips, dem pensionierten Sekretär der Gewerkschaft VPOD, der eigens für den Streit um die Pensionskasse wieder aktiviert wurde. Oder sei es mit Ernst Joss und Guido Suter, die den VPOD im BVK-Stiftungsrat vertreten, bei den Wahlen im Mai wieder antreten – von ihrem eigenen Verband nun aber nicht mehr unterstützt werden.

Die Wahl des Stiftungsrats: Sie lässt alte Geschichten hochkommen, sie entflammt aber auch einen Grundsatzstreit. Aus der Vergangenheit an die Oberfläche dringen die Korruptionsaffäre, die 2012 in einem parlamentarischen Untersuchungsbericht aufgearbeitet wurde, die nötig gewordene Sanierung der Kasse, ihre Wandlung in eine privatrechtliche Stiftung auf das Jahr 2014 und die massive Lohnerhöhung, die der frisch installierte Stiftungsrat dem CEO der BVK gewähren wollte und die dann unter Druck vonseiten der Politik und der Öffentlichkeit halbiert wurde. Der Grundsatzstreit entzündet sich hauptsächlich an der Frage, ob der auf dieses Jahr hin wirksame Vorsorgeplan 2017 angemessen ist – oder einer Demontage der Kasse gleichkommt, wie es der VPOD formuliert. Konkret beträgt der technische Zinssatz nur noch 2 Prozent, zudem wurden die Sparbeiträge um 15 Prozent erhöht. Für Abfederungsmassnahmen wurden 950 Millionen Franken reserviert.

Massnahmen sollen revidiert werden

Am Dienstag nun hatten Christoph Lips und der VPOD ihren grossen Auftritt. Im Zentrum Karl der Grosse in Zürich erklärten sie, was der Stiftungsrat alles falsch gemacht habe und warum sie in den bevorstehenden Wahlen ihre eigenen Leute nicht mehr unterstützten, und sie präsentierten gleich 9 Kandidatinnen und Kandidaten für die 9 Sitze der Arbeitnehmer im 18-köpfigen Stiftungsrat der BVK, die ein Vorsorgevermögen von über 30 Milliarden Franken verwaltet und über rund 115 000 Versicherte verfügt – so viele wie keine andere Schweizer Pensionskasse. Nicht alle der Kandidaten sind VPOD-Mitglieder, lassen sich aber von der Gewerkschaft portieren, was bemerkenswerte Konstellationen ergibt. VPOD-Kandidaten sind so etwa Lorenz Schreiber, Präsident des Bezirksgerichts Andelfingen, Calista Fischer, Kommunikationsbeauftragte der Universität Zürich, Stefan Reimann, Bausekretär der Stadt Uster, und die Betriebsökonomin Andrea S. Fuchs-Müller. Weitere Kandidaten des Personalverbands sind Stefan Giger, Barbara Bresgott, Regina Stauffer, Irene Willi und Claudia Geiss.

Für Lips ist ein zentrales Ziel, möglichst viele VPOD-Kandidaten in den Stiftungsrat zu bringen, um erstens den Vorsorgeplan 2017 wieder anzupassen und zweitens die Kommunikation dieses Gremiums zu verbessern. Der Vorsorgeplan gehe voll zulasten der Versicherten. Die Arbeitgeber dagegen würden entlastet, indem die Sanierungsbeiträge in der Höhe von 2,5 Prozent wegfielen. Er kenne keine Kasse, die einschneidende Massnahmen ohne solidarische Beiträge der Arbeitgeber beschliesse, sagte Lips. Der Kanton stehle sich aus der Verantwortung, und der Stiftungsrat lasse ihn gewähren: Das gleiche Muster habe sich gezeigt, als Letzterer beschlossen habe, im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre auf eine Haftungsklage gegen den Kanton beziehungsweise gegen die verantwortlichen Regierungsräte zu verzichten.

Umstrittene Geheimhaltung

Der Stiftungsrat habe von Anfang an eine schlechte Figur gemacht – damit meinte Lips die eigenen Vertreter offensichtlich mit. Dass die unverständliche Lohnerhöhung für den BVK-CEO bekanntgeworden sei, habe dazu geführt, dass sich der BVK-Stiftungsrat ein rigides Geheimhaltungs-Reglement auferlegt habe. Heute sei die Kommunikation mit Versicherten und Sozialpartnern unterirdisch, sagte Lips. Dass die VPOD-Stiftungsräte Ernst Joss und Guido Suter dies nicht einsähen, habe dazu geführt, dass der Verband sie nun nicht unterstützen könne, ergänzte VPOD-Kampagnenleiter Fabio Höhener. Der neue Kandidat Lorenz Schreiber, selber Jurist, sagte, das Reglement könne durchaus so angepasst werden, dass mehr Transparenz möglich sei. Wer wie stimme und wer im BVK-Stiftungsrat welche Ansichten vertrete, sei eine relevante Information, die bekannt sein müsse. Ohne dieses Wissen könnten sich die Versicherten kein Bild von der Arbeit der einzelnen Stiftungsratsmitglieder machen.

Gutachten weist wenig Spielraum aus

Lilo Lätzsch, Präsidentin des BVK-Stiftungsrats und Präsidentin des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbands, lässt die Vorwürfe nicht gelten. Die Arbeitgeber würden nicht entlastet, entgegnet sie. Insgesamt müssten diese aufgrund des Vorsorgeplans 2017 deutlich mehr zahlen. Zwar fielen die Sanierungsbeiträge von 2,5 Prozent tatsächlich weg. Dafür müssten sie deutlich höhere Sparbeiträge der Aktivversicherten zahlen. Bezüglich der Schweigepflicht meint Lätzsch, dass die Kommunikation des Stiftungsrats durchaus verbessert werden könne. Denkbar sei, gewisse Informationen explizit als nicht vertraulich zu taxieren. Nicht infrage komme aber die vom VPOD erhobene Forderung, dass bekanntwerden müsse, wer an Stiftungsratssitzungen was sage und wie stimme. Lätzsch sagt: «Das geht selbstverständlich nicht – wie in jeder anderen Kollegialbehörde vom Gemeinde- bis zum Bundesrat.» Auch zwei Gutachten hätten deutlich gezeigt, dass der Spielraum aufgrund der BVG-Gesetzgebung klein sei. Beim Gutachten der Zürcher Rechtswissenschafterin Isabelle Häner habe der VPOD sogar bezüglich der Fragestellung mitgewirkt – negiere nun aber das Resultat.

Erschwert werde diese Diskussion, weil das Misstrauen des VPOD grenzenlos sei – er lasse seit Jahren kein gutes Haar am BVK-Stiftungsrat. Und sie fügt an: «Wenn gegenseitiges Vertrauen herrscht, kann man natürlich eher einen offenen Austausch pflegen, als wenn die Fronten verhärtet sind.» Es gehe mittlerweile so weit, dass mit dem VPOD keine Gespräche mehr möglich seien. Der Verband lasse jeden realistischen Blickwinkel vermissen.

Den Vorsorgeplan 2017 verteidigt Lätzsch. Es sei eine austarierte Lösung, welche die Interessen aller Versicherten berücksichtige. Um die Übergangsjahre für jene voll auszufinanzieren, die nicht mehr lange genug Sparkapital äufnen könnten, wären aber 3,6 Milliarden Franken nötig gewesen. Verfügbar gewesen seien im Rahmen der herrschenden politischen Finanzrealität 950 Millionen Franken. Die jetzige Lösung sei fair. In einem Punkt gibt Lätzsch dem VPOD indes recht: Sie ist enttäuscht vom Kanton, weil er sich zurückziehe und niemanden aus der Regierung oder der Verwaltung in den Stiftungsrat delegiere. Die Arbeitsbedingungen des Kantons seien zentral, da müsste der Regierungsrat Verantwortung übernehmen, findet Lätzsch.

«Populistische Fundamentalopposition»

Von dem Liebesentzug durch den VPOD vor allem betroffen sind die amtierenden BVK-Stiftungsratsmitglieder Ernst Joss und Guido Suter, die beide seit vielen Jahren im VPOD aktiv sind. Die fehlende Unterstützung ärgere ihn, sagt Joss, schliesslich sei er ein gestandenes Mitglied des VPOD. Tatsächlich gilt der ehemalige Mittelschullehrer als Gewerkschafter alter Schule, der gegenüber seinem Verband loyal ist und als Vertreter der Pensionierten immer noch im Vorstand der VPOD-Sektion Lehrberufe wirkt. Joss ergänzt aber, er sei überzeugt, dass er trotz der offiziellen Parole von vielen VPOD-Mitgliedern gewählt werde – «weil sie wissen, dass wir gut arbeiten».

Enttäuscht ist Joss vom für die BVK zuständigen VPOD-Sekretär Roland Brunner und von dessen Vorgänger Christoph Lips, der in diesem Dossier immer noch mitmischt. Lips sei kürzlich an einem öffentlichen Anlass des VPOD Lehrberufe minutenlang über den angeblich asozialen BVK-Stiftungsrat hergezogen, erzählt Joss. Als er etwas habe entgegnen wollen, habe man ihn nicht sprechen lassen. Diese Diskussionsverweigerung sei gravierend und ein Ausdruck davon, wie stark sich die Fronten zwischen der BVK und dem VPOD verhärtet hätten. Ohne ihn und Guido Suter einzubeziehen, betreibe der VPOD eine populistische Fundamentalopposition. Dass der Verband sogar versucht habe, Gemeinden und andere Anschlüsse auf dieses Jahr zu einem Kassenwechsel zu bewegen, sei nicht in Ordnung. Eine inakzeptable Fehlleistung sei gewesen, dass Anschlüssen per E-Mail als Alternative die Pensionskasse Profond empfohlen worden sei – eine Kasse notabene, die bekannt sei für eine aggressive Anlagestrategie mit sehr hohem Aktienanteil.

«Grundsatzkritik tragen wir nicht mit»

Das Bedürfnis nach mehr Transparenz könne er durchaus nachvollziehen, sagt derweil Guido Suter. Das geltende Reglement sei tatsächlich strikt: Aus Stiftungsratssitzungen dürfe kein Komma nach aussen dringen. Die Rechtsgutachten hätten die geltende Praxis aber als zwingend taxiert. Sein Standpunkt sei darum: «Wenn es Gesetze und Reglemente gibt, halte ich mich daran. Wer etwas ändern will, muss das Gesetz ändern.» Schade sei, dass die gemeinsame Ebene verloren gegangen sei.

Völlig einsam sind Suter und Joss allerdings nicht: Unterstützt werden sie vom Dachverband VPV, den Vereinigten Personalverbänden des Kantons Zürich. Dessen Präsident Peter Reinhard sagt: «Die Grundsatzkritik des VPOD tragen wir nicht mit.» Die Beziehung zum VPOD sei darum gegenwärtig kalt, sagt Reinhard. «Die Leute im Stiftungsrat machen aber eine gute Arbeit, setzen sich auch für die Arbeitnehmer ein – wir unterstützen sie.»

Quelle: NZZ
29.03.2017